Neues Mittel gegen Borreliose?
Zecken können gefährliche Krankheitserreger auf uns Menschen übertragen – z.B. Borrelien, Bakterien, die der schweren Infektionskrankheit Borreliose führen können. Jetzt gibt es aber Hoffnung auf ein vorbeugendes Medikament. Momentan wird es getestet – auch in Südhessen.
Ute F. aus Reinheim fährt immer noch gerne Fahrrad – und das, obwohl damit vor gut 15 Jahren das Übel seinen Anfang nahm: Ute F. war Reisejournalistin, hatte sich auf Radreisen spezialisiert und fuhr für Zeitungen und Verlage quer durch Europa. Oft musste sie Fotos schießen oder nach Wegen suchen. Doch an einem Tag passierte es dann: eine Zecke stach zu. Sie bemerkte dies zunächst nicht, bis es dann in ihrer Kniekehle juckte.
Sie vermutete einen Mückenstich: „Nach 14 Tagen juckte es immer noch, dann bin ich mit dem Spiegel rangegangen und stellte fest, ich habe da eine richtig große Rötung. Heute weiß ich, das war eine Wanderröte, an sich ein Zeichen, dass es eine Borreliose ist, aber damals wusste ja kein Mensch was von Borreliose. Ich bin dann zu meinem Hausarzt gegangen und der hat mir dann ganz schlau eine Salbe verordnet und gemeint, davon geht der Fleck weg.“
Doch der Fleck geht nicht weg und Ute F. wird zum Hautarzt überwiesen: Der vermutet eine Borreliose, verursacht durch einen Zeckenstich, und verschreibt ihr ein Antibiotikum. Der Fleck verschwindet, aber ein halbes Jahr später hat Ute F. plötzlich schwere Knieschmerzen, ihr ganzer Körper tut weh, sie kann sich kaum bewegen. Die Ärzte vermuten eine Arthritis und monatelang nimmt sie starke Rheumamittel.
Die helfen aber nicht. „Über Umwege habe ich dann einen Arzt in Frankfurt gefunden, der sich mit Borreliose auskannte. Und der hat mich wieder mit Antibiotika, aber mit einem anderen Mittel behandelt, und es wurde auch ganz schnell besser, aber es dauerte nicht lange und dann fing alles wieder an.“
Schwierige Diagnose und Behandlung
Ute F.’s Krankheitsgeschichte ist kein Einzelfall: Viele Patienten bemerken nicht, dass sie von einer Zecke gestochen worden sind, und auch Ärzte erkennen oftmals zu spät, dass es sich um eine Borreliose handelt. Warum ist das so?
Dr. med. Ingomar Naudts, Facharzt für Allgemeinmedizin, nennt Gründe: Nicht bei jedem Patient, der tatsächlich von einer Zecke mit Borrelien infiziert wurde, entwickelt eine Rötung: „Desweiteren tritt im weiteren Verlauf der Erkrankung erstmal überhaupt keine Symptomatik auf, d.h. der Patient kommt nach vielen Monaten oder Jahren und berichtet über verschiedene Symptome, die aber auch bei anderen Krankheiten vorkommen.“
Je später eine Borreliose erkannt wird, desto schwieriger wird es, sie zu behandeln. Denn die dafür ursächlichen Bakterien können sich im ganzen Körper ausbreiten. Warum dann nicht gleich prophylaktisch ein Antibiotikum geben? Dr. Naudts: „Antibiotika, die man bei einer Borreliose-Infektion oder bei dem Verdacht gibt, sind oftmals schwer verträglich. Außerdem wird der Organismus damit belastet. Man könnte natürlich dazu übergehen und sagen, also bevor wir eine Borrelien-Infektion riskieren, behandeln wir alle Patienten mit Antibiotika, das ist aber aus ethischen und medizinischen Gründen überhaupt nicht vertretbar.“
Ein neues Medikament bringt Hoffnung
Ein antibiotisches Gel, das mehrmals auf die frische Stichstelle einer Zecke aufgetragen wird, soll nun mögliche Erreger abtöten. Entwickelt hat dieses Gel ein deutsch-schweizerisches Forscherteam, darunter der Veterinärmediziner Prof. Reinhard Straubinger an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Er befasst sich seit vielen Jahren mit dem Krankheitsbild der Borreliose und forscht auf dem Gebiet der Labordiagnostik und der Antibiotika-Behandlung bei Borrelien.
„Die Herausforderung war, ein Antibiotikum zu finden, welches unseren Ansprüchen genügt, das heißt, es sollte wirksam gegen die Borrelien sein, es sollte nicht zu oft angewendet werden pro Tag und es sollten keine Resistenzen gegen Borrelien bekannt sein. Ein Antibiotikum, welches diese Eigenschaften trägt ist zum Beispiel Azithromycin. Die nächste Herausforderung war einen Trägerstoff zu finden, der uns dann dieses Azithromycin durch die Haut transportiert.“
Und das ist nicht einfach, weil das Gel tief in die Haut dringen muss: dort, wo die Zecke gestochen hat und sich die Borreliose-Erreger für 3-4 Tage einnisten und vermehren. Wird das Gel in diesen ersten 4 Tagen aufgetragen, zieht es bis in die tieferen Hautschichten ein und das Antibiotikum bewirkt, dass die Borrelien absterben. Weiße Blutkörperchen, sogenannte Fresszellen, wandern dann ins Gewebe ein, nehmen die toten Bakterien auf und verdauen sie. Das Gel soll also die Borrelien vernichten bevor sie in andere Körperteile abwandern und dort Schäden anrichten.